Letzter Teil des Interviews mit TREFF3 über seinen Roman Oscuro bosque oscuro, der von der Beteiligung deutscher Bürger an Nazi-Massakern handelt.
Grimms-Märchen, Erschießungen und Insekten
TREFF3.- Was soll im Buch durch die häufige Wiederholung des Wortes “insecto” vermittelt werden?
JV: Ja, es geht darum, dass die Insekten getötet werden müssen. Obwohl viele Kapitel mit der Nazi-Zeit in Verbindung stehen, wie man auch auf dem Einband sieht, kommt das mit den Insekten nicht aus der Nazi-Zeit, sondern vom Völkermord in Ruanda. Dort wurde wochenlang im Radio verbreitet: „Sie sind Küchenschaben“, „Sie schaden uns“, „Wir müssen sie umbringen, denn sie sind Küchenschaben.“
TREFF3.- In dem Text beziehst du dich auf die Kindermärchen der Gebrüder Grimm – aus welchem Grund?
JV: Bei meiner Recherche über diese Zeit in Deutschland bin ich darauf gestoßen, dass alle Erschießungen von Juden, Frauen und Kindern in Wäldern stattfanden. Man holte die Juden aus ihren Dörfern, brachte sie in nahe gelegene Wälder und erschoss sie dort.
Ich habe auch festgestellt, dass die Grimms-Märchen an allen Schulen obligatorisch sind und als Teil der deutschen Seele betrachtet werden.
Diese Märchen spielen in denselben Wäldern und besitzen einen sehr hohen Grad an Grausamkeit. Im Buch werden sie zu den Alpträumen der Beteiligten.
Neue literarische Richtungen?
TREFF3.- Das Buch erscheint bei Almadía, einem auf experimentelle Autoren spezialisierten Verlag. Warum hast du ausgerechnet diesen Verlag ausgesucht, wo du doch sehr viele Möglichkeiten hattest, es zu veröffentlichen?
JV: Aus verschiedenen Gründen. Ich war schon immer der Meinung, dass neue und unabhängige Verlage zum Zuge kommen müssen, dass sie Kataloge bedeutender Autoren zusammenstellen, übersetzen und die spanischsprachige literarische Welt vielfältiger gestalten sollen.
Ich veröffentliche in Verlagen, die zu großen spanischen Konzernen gehören, fand es aber auch wichtig, mit kleineren Verlagen zu arbeiten. In diesem Sinne halte ich Almadía und Sexto Piso in den letzten Jahren für beispielhaft, und ich bewundere ihre Arbeit sehr.
In Kürze erscheint El insomnio de Bolívar in Debate. Ich wollte einfach zeigen, dass diese kleinen Verlage in Mexiko wichtig und notwendig sind.
TREFF3.- Oscuro bosque oscuro unterscheidet sich von deinen anderen Büchern. Wie ordnest du es in deinen Werdegang ein?
JV: Ich halte es für einen gewagten Text, mit dem ich sehr zufrieden bin, mache mir aber gleichzeitig Sorgen, wie er aufgenommen wird.
Er verfolgt dieselbe Linie wie El jardín devastado oder vielleicht einer meiner ersten Texte wie Días de ira, aber ebenso ist es ein Versuch, auf eine andere Art zu schreiben und zu zeigen, wie eine Besessenheit bestehen bleibt.
TREFF3.- Wie lange hast du daran gearbeitet?
JV: Ungefähr eineinhalb Jahre.
TREFF3.- Lass uns ein bisschen über die neue Generation junger Schriftsteller in Mexiko sprechen. Liest du sie?
JV: Ja, ich interessiere mich sehr für jüngere Schriftsteller, die in den 70er oder 80er Jahren geboren wurden. Ich glaube, da gibt es interessante Fälle, z.B. Guadalupe Nettel, Luis Felipe Lomelí, Martín Solares, Daniela Tarazona, Alberto Chimal und Tryno Maldonado.
TREFF3.- Welche Richtungen beobachtest du bei diesen neuen Erzählern?
JV: Ich glaube nicht, dass es ganz klare Richtungen gibt. Damit beschäftige ich mich in einem Kapitel in El insomnio de Bolívar, in dem ich mich mit den “Richtungen” der neuen lateinamerikanischen Literatur auseindandersetze.
Ich glaube, es gibt keine Richtungen, aber sehr wohl ein häufig auftauchendes Thema in Mexiko und Kolumbien, nämlich den Drogenhandel.
Viele Schriftsteller verschiedener Generationen befassen sich unweigerlich mit diesem Thema, weil es unser tägliches Leben prägt.
Abgesehen davon mache ich keine Richtung als solche aus. Ganz im Gegenteil, ich glaube, dass jeder Schriftsteller viel individueller schreibt und ohne diesen Druck, den es früher gab, dass man auf eine bestimmte Art schreiben musste.
Text: Omar Nieto/pt
Übersetzung: Anne Sieberer
Fotos: Jessica González López